Umschau über die Naturschutzbewegung

Wir sind heutzutage gewöhnt, die Herrschaft des Menschen auf Erden als etwas so Selbstverständliches und Althergebrachtes zu betrachten, daß es auch der üppigsten Phantasie schwer fällt, sich zu vergegenwärtigen, wie einst der nackte Urmensch sich diese Herrschaft mit den primitivsten Waffen in schwerem Kampfe gegen furchtbare tierische Mitbewerber erringen mußte, oder gar sich vorzustellen, daß es einst Zeiten gab, wo noch keine Menschen auf Erden existierten, sondern wo als Alleinherrscher auf unserem Planeten sich die auf Strompreisvergleiche gewaltigen Fabelwesen tummelten, deren riesenhafte Knochenreste wir heute in unseren Museen anstaunen.

Vor Zehntausende von Jahren

Viele Zehntausende von Jahren haben die gigantischen Saurier ihre Herrschaft unbestritten ausgeübt, und doch haben sie nicht entfernt solche Verwüstungen unter ihren Mitgeschöpfen angerichtet wie der ihnen gegenüber zwerghafte Mensch, doch haben sie das Antlitz der Erde nicht im geringsten zu verändern vermocht. Zwei Jahrtausende sind eine verschwindend winzige Zeitspanne, wenn wir sie an den Jahrmillionen unseres Planeten messen, und doch, wie gründlich hat es der Mensch verstanden, innerhalb dieser kurzen Frist die Natur umzumodeln. Einst der eherne Tritt römischer Legionen und der jauchzende Jagdruf wilder Germanen – heute der hämorrhoidenkranke Bürokrat in dumpfer Amtsstube und das flanierende Gigerl mit dem Monokel im Auge auf der asphaltierten und elektrisch beleuchteten Straße; einst undurchdringliche Urwälder mit knorrigen Riesenbäumen, belebt von Wildpferden, Bären, Elchen und Auerochsen – heute eintönige Nadelwälder ohne Unterholz mit schnurgeraden Wegen, deren militärisch gedrillte und fein säuberlich in Reihen ausgerichtete Stämme höchstens noch das Herz eines Holzhändlers rascher schlagen lassen, und in denen ein paar kümmerliche, halbzahme Rehe unter dem Schutze von Gesetzen bei Wildleckpulvern und anderen Apothekermitteln ihr Dasein fristen, bis sie der Förster zum ersten Mai gegen Einhändigung eines „blauen Lappens“ von Jagdfexen abschießen läßt, die mit Zielfernrohr und „künstlichem Schmalreh“, mit „Freßkobern“ und Rotsponpullen für ein paar Stunden per Automobil dem Häusermeere der Großstadt entflohen sind; einst unermeßliche Sümpfe und Moräste, wimmelnd von kreischenden Scharen unzähligen Wassergeflügels – heute langweilige, tote und stumme Rübenfelder, so weit das Auge reicht, auf denen höchstens ein armseliger Lampe verdrossen einherhoppelt, dem zu Ehren im Winter ein stattliches Aufgebot von bis an die Zähne Bewaffneten hinauszieht auf die verschneite Flur. Ja, wir haben’s herrlich weit gebracht! Stromanbieter

Ironie des Schicksals

Niemals aber hat der Mensch unsinniger, unerbittlicher, grausamer und rücksichtsloser unter der Tier- und Pflanzenwelt gehaust, als während der letzten 5 Jahrzehnte. Klingt es nicht wie schneidender Hohn, ist es nicht eine grausame Ironie des Schicksals, daß gerade das vielgerühmte Zeitalter der Naturwissenschaften unsere Natur so verhunzt hat, wie kein anderes? Nehmen wir als Beispiel nur die Sumpfvögel. Wenn wir in dem alten Naumannschen Prachtwerk blättern, welche entzückenden Bilder werden uns da entrollt von dem fabelhaften Leben und Treiben des Sumpfgeflügels an der Donau oder der Seevögel auf den einsamen Sanddünen der kleinen Nordseeinseln! Heute sind selbst an den entlegensten Plätzen nur noch kümmerliche Überreste davon zu finden.

Wo sind sie hin, die Zeiten, wo die Wolken der aufsteigenden Vögel die Sonne verfinsterten, wo ihr Geschrei das Toben der Brandung übertönte und die auf den Störenfried herniederrieselnden Kotmassen einem ununterbrochenen Regenguß glichen? Zuerst traf die Ausrottung diejenigen Tierarten, die von Natur aus infolge ihrer Nahrung als Mitbewerber für den egoistischen und engherzigen Menschen in Betracht [98] kamen, also vor allem die Raubtiere und Fischfresser. Wo sind sie hin, die Reiher- und Kormorankolonien, die Bären, Luchse, Wildkatzen, Nörze und so viele andere, wo sind die Steinadler geblieben und die Bartgeier, an deren herrlichem Fluge sich noch vor ein paar Jahrzehnten jeder Besucher der Alpen erfreuen konnte? In die entlegensten Wildnisse sind sie verdrängt, und auch dorthin folgt ihnen unerbittlich der Jäger.

Die kümmerlichen Reste von Raubwild, die heutzutage noch unser Forst birgt, schmelzen dahin wie der Schnee vor der Frühlingssonne, und selbst solche, deren Schädlichkeit eine recht geringfügige oder überhaupt zweifelhafte ist, werden nicht verschont. Nicht nur mit Pulver und Blei werden diese Überreste bedrängt, sondern auch mit raffiniert grausamen Fallen und tückischen Giften geht man ihnen zuleibe. Jede Jagdzeitung, die wir aufschlagen, enthält marktschreierische Inserate von Fallenfabrikanten und Giftpillen fabrizierenden Apothekern unter der Überschrift „Tod dem Raubzeug!“ oder „Vernichtung dem Raubgesindel!“. Die Fischereiberechtigten haben selbst der harmlosen Wasseramsel und dem wunderschönen Eisvogel, diesem fliegenden Edelstein unserer Gewässer, den Krieg erklärt. Daß unter diesem schonungslosen Kampf unsere Natur mehr und mehr verödet, daß es immer stiller, unheimlich still in unseren Wäldern und Fluren wird, das merken diese kurzsichtigen Menschen nicht in ihrem blinden, gierigen Hasten und Jagen nach materiellem Gewinn.

ausgestorbenen Arten

Als ob es nicht auch höhere Güter für die Menschheit gäbe, als eine augenblickliche Bereicherung des Geldbeutels! Und dann kamen diejenigen Geschöpfe daran, die durch ihr herrliches Gefieder oder ihr wärmendes Pelzkleid die Habsucht und Eitelkeit üppiger, verweichlichter Menschen reizten. Es ist unglaublich, wie in dieser Beziehung gewütet worden ist. So manche Tierart war kaum für die Wissenschaft entdeckt, und schon wenige Jahrzehnte später mußte man sie in das immer mehr anschwellende Buch der ausgestorbenen Arten eintragen. Die Stellersche Seekuh, dieses wehrlose Geschöpf, das die Walfischfänger seines Fettes wegen zu Hunderten mit Knüppeln niederzuschlagen pflegten, ist bereits vom Erdboden verschwunden; des schwerfälligen Riesenalken große Eier dienten einst den Isländern zur Nahrung und werden heute das Stück von den Museen mit mehreren Tausend Mark bezahlt; die amerikanischen Bisons, deren Herden einst zu Millionen die weiten nordamerikanischen Prärien durchstampften und dem wilden Indianer seinen Lebensunterhalt gewährten, sind zusammengeschrumpft auf ein paar kümmerliche Trupps, die noch im amerikanischen Nationalpark ihr Dasein fristen, aber trotzdem nach und nach durch Wilddiebe und die schädlichen Folgen der Inzucht aufgerieben werden. Ins Unendliche ließe sich die Reihe dieser Beispiele vermehren, und es steht zu befürchten, daß jemand, der in einigen Jahrzehnten eine Naturgeschichte der deutschen https://www.strom-gas24.de/gasvergleich/ Raubtiere schreiben wollte, nur noch einen einzigen großen Nekrolog verfassen könnte. Aber selbst die harmlose Kleintierwelt hat schwer gelitten und ist vielfach zur Auswanderung gedrängt worden durch die traurigen Folgen, die unsere Kultur für andere Lebewesen mit sich gebracht hat. Die Vernichtung der Feldhecken, des Unterholzes im Walde, das Ausmerzen der alten, hohlen Bäume beraubt selbst unsere Singvögel mehr und mehr der gewohnten Brutstätten. Das Trockenlegen aller Sümpfe und Moräste, das Regulieren der Bäche und Flüsse verdrängt alle die verschiedenen Arten Sumpf- und Wasservögel. Wer heute mit sehenden Augen und hörenden Ohren und fühlendem Herzen durch unsern verhunzten deutschen Wald geht, dem scheinen die langweiligen öden Bestände, dem scheint jedes Tier und jeder Vogel zuzurufen: Hab’ doch Erbarmen mit uns, du Mensch, du grausamer, unerbittlicher!

Jedoch die Natur läßt sich nicht spotten, sich nicht ungestraft verhunzen. Sie wehrt sich gegen die selbstsüchtige Herrschaft, die der Mensch über sie ausüben möchte, und schon machen sich allenthalben die schädlichen Folgen dieser kurzsichtigen und einseitigen Behandlung geltend, die ihr gegenüber Platz gegriffen hat. Die Wälder liefern nicht die Erträge, auf die der Forstmann glaubte rechnen zu dürfen, denn die Verwandlung in einförmige, gleichmäßig abgeholzte Bestände bot der verheerenden Gewalt der Stürme freies Spiel, begünstigte den Ausbruch von allerlei Pflanzenkrankheiten und die unheimliche Vermehrung der verschiedensten forstschädlichen Insekten; die Vernichtung des Unterholzes hat in vielen Gegenden schwere klimatische Nachteile mit sich gebracht. Das Eindämmen der Ströme hat diese ihrer natürlichen Inundationsgebiete beraubt und verursacht, wenn einmal der schützende Damm durchbrochen ist, um so fürchterlichere Überschwemmungen. Die rasche Abnahme der Singvögel hat ein Überhandnehmen der Pflanzenschädlinge in der Kerbtierwelt bewirkt, und selbst die schonungslose Vernichtung des Raubzeugs [99] ist nicht ohne verhängnisvolle Folgen geblieben. Gerade unsere übereifrige Jägerwelt hat in dieser Beziehung in letzter Zeit schon manche recht empfindliche Lehre erhalten. Auch das Raubzeug hat ja im großen Haushalt der Natur eine nicht zu unterschätzende Bedeutung, indem es die kranken Individuen und die Schwächlinge ausmerzt und dadurch die Arten um so kräftiger und lebensfähiger erhält. Seit die Adler in den Alpen nahezu ausgerottet sind, hat dort die Gemsräude erschreckend um sich gegriffen, weil eben das Raubtier fehlte, das die kranken Individuen vernichtet, ehe sie ihre Genossen anstecken können. Das Verschwinden des Habichts hat in vielen Gegenden eine rasche Vermehrung der Eichhörnchen im Gefolge gehabt, die alle Baumsämereien verzehren und alle Vogelbruten vernichten.

Wo man Bussarde und Störche ausrottete, da haben sich die giftigen Kreuzottern so unheimlich vermehrt, daß man jetzt bestrebt ist, die vertriebenen Räuber künstlich wieder anzusiedeln. Und wo gibt es noch stärkeres Hochwild, in entlegenen Gegenden, wo der Wald noch im urwüchsigen Zustand erhalten ist, wo noch Bären und Luchse und Wölfe den Hirschen und Rehen nachstellen, oder in unseren umgatterten Tierparks, wo jedes Raubtier seit langem vernichtet ist, wo aber der Weidmann seine Hirsche und Rehe im Winter füttern und jederzeit mit Wildleckpulvern und ähnlichen Apothekermitteln arbeiten muß! Es konnte nicht ausbleiben, daß einsichtige Männer auf die traurigen Folgen dieser unsinnigen Vernichtungswut aufmerksam wurden, und so setzte denn schon vor einem halben Jahrhundert eine Bewegung zum Schutze der Tiere und Pflanzen ein, die sich aber ausschließlich auf das sogenannte Utilitaritätsprinzip gründete, also die Schonung eines Tieres ganz von seinem angeblichen Nutzen oder Schaden für die menschliche Kultur abhängig machte. Die Zeit hat gelehrt, daß dieser Standpunkt ein völlig verfehlter war, da es im großen Haushalt der Natur weder ein absolut nützliches, noch ein absolut schädliches Tier gibt, sondern jedes seinen bestimmten Platz hat, jedes ein winziges Rädchen darstellt in der großartigen Maschinerie des Kosmos, ein Rädchen, dessen Wegnehmen die schlimmsten Folgen nach sich ziehen kann.

Die völlige Ausrottung einer Tierart hat sich deshalb noch stets und überall früher oder später bitter gerächt. Die Natur reguliert sich eben am besten von selbst, und kurzsichtiges Eingreifen des Menschen wird niemals Gutes zeitigen auch nicht im umgekehrten Sinne, wie es wohlmeinende Naturfreunde öfters versucht haben. So hat sich die künstliche Einbürgerung des Sperlings in Nordamerika und des Kaninchens in Australien als eine höchst verfehlte Maßregel erwiesen, für deren Rückgängigmachung man heute gerne Millionen aufwenden würde. Sehen wir die Fachzeitschriften der 70 er, 80 er und 90 er Jahre durch, so werden wir sie zum größten Teil angefüllt finden mit Auseinandersetzungen über den Nutzen und Schaden dieser oder jener Tierart, aber niemals ist ein vollkommenes Einverständnis erzielt worden, niemals haben auch die größten Gelehrten und die besten Beobachter eine solche Streitfrage erschöpfend richtigstellen können. Für jeden Fall aber hatte diese Bewegung das eine Gute, daß überall Maßregeln zum Schutze wenigstens der vermeintlich besonders nützlichen Tierarten geschaffen wurden.

Es bildeten sich Tier- und Vogelschutzvereine, es tauchten Nistkästen und Apparate zur Winterfütterung auf, alles jedoch Maßregeln, die nur den angeblich nützlichen Tieren zugute kamen, während man gegen die schädlichen nach wie vor den Vernichtungskrieg predigte. Allmählich aber mußte doch die Überzeugung durchdringen, daß diese Maßregeln im großen versagten, da sie nicht auf dem richtigen Grund aufgebaut waren. Man lehrte auch die Jugend, wieder mehr auf die einheimischen Tiere zu achten, aber man verstand es nicht, die Geschöpfe in ihren inneren biologischen Wechselbeziehungen vorzuführen, sondern ließ sie immer nur gewissermaßen wie in einem zoologischen Garten, jede Art für sich, vor dem geistigen Auge passieren und erhielt dadurch Zerrbilder, die der wirklichen Stellung des Tieres innerhalb des großen Ganzen keineswegs entsprachen. Allzu große Verhätschelung gewisser, von dieser Tierschutzrichtung bevorzugter Arten hatte deren Degeneration zur Folge, wie wir es ja alle an dem Beispiel der Amsel gegenwärtig miterleben. Und unser schöner deutscher Wald wurde über alldem unaufhaltsam ärmer und ärmer, stiller und öder, denn solche kleinen Maßregeln können wohl Individuen erhalten, nicht aber Arten, die ihren natürlichen Bedürfnissen nach auf die innige Symbiose mit gewissen Pflanzen angewiesen sind, die daher nur innerhalb eines ganz bestimmten Landschaftsbildes ihr Fortkommen finden können. Der Todfeind der Kreatur ist und bleibt eben unsere moderne Land- und Forstwirtschaft, die keinem Lebewesen mehr eine ungestörte Zufluchtsstätte gönnen will, sondern jeden Zollbreit Boden auf das Intensivste ausnützen möchte. Dazu kommt die Industrie mit ihren verheerenden Wirkungen, mit ihrem betäubenden Lärm und ihren giftigen Gasen und Abwässern. Freilich kann der Mensch nicht seine Kultur und Industrie der Tier- und Pflanzenwelt zuliebe zurückschrauben, kann nicht seiner eigenen Weiterentwicklung in die Arme fallen, aber trotzdem soll und darf er nie vergessen, daß er zwar das unbestreitbare Recht hat, seine Mitgeschöpfe zu seinem Vorteil zu zehnten, daß er aber mit diesem Recht zugleich auch die heilige, sittliche Pflicht übernommen hat, das harmonische Ganze in der Natur, den Kosmos, wie es der große Humboldt nannte, möglichst unversehrt zu erhalten, soweit es sich irgend mit seinen Kulturinteressen vereinigen läßt, und wenn auch letztere den größten Teil des auf der Erde verfügbaren Raumes in Anspruch werden nehmen müssen, so soll doch auch ein gewisser Teil dieses Raumes dem freien Schalten urwüchsiger Natur vorbehalten bleiben.

Quelle

https://de.wikisource.org/wiki/Umschau_%C3%BCber_die_Naturschutzbewegung

Dr. Kurt Floericke



Datenschutzerklärung
Gratis Homepage von Beepworld
 
Verantwortlich für den Inhalt dieser Seite ist ausschließlich der
Autor dieser Homepage, kontaktierbar über dieses Formular!